Ein Selbstlernkurs zum Thema Immunologie für SII

© 2010 Hans-Dieter Mallig (hdm)
[zurück zur Themenseite Immunbiologie]
Auswirkungen des Immunsystems auf Blutübertragungen

Bei schwerwiegenden Verletzungen mit sehr großem Blutverlust sahen sich in der Vergangenheit Ärzte immer wieder gedrängt,  als letzte mögliche Behandlung zur Rettung des Lebens eines Patienten, eine Blutübertragung vorzunehmen, obwohl damals die Ergebnisse unkalkulierbar waren. Meist überstand der Patient den großen Blutverlust oder die darauf erfolgte Blutübertragung nicht, in seltenen Fällen war die Behandlung jedoch erfolgreich. Erst nachdem der Wiener Arzt Karl Landsteiner (1869 - 1943) als Ursache für die missglückten  Blutübertragungen die Unvereinbarkeit aufgrund unterschiedlicher Blutgruppen herausfand und damit Vorhersagen über erfolgreiche und tödliche Blutübertragungen möglich wurden, konnten Blutübertragungen als Behandlungsmethode beherrscht werden. 
Diese unterschiedlichen Blutgruppen und der Erfolg bzw. Misserfolg einer Blutübertragung stehen ursächlich mit der Wirkungsweise des Immunsystems im Zusammenhang.

Wir betrachten hier (nur) die Blutgruppen nach dem AB0-System. Danach gibt es (siehe 1. Spalte der Tabelle unten) die Blutgruppen A, B, AB und 0. 
Jede der vier Blutgruppen wird grundsätzlich von den antigenen Strukturen (2. Spalte), die sich auf der Oberfläche der roten und weißen Blutkörperchen befinden, bestimmt. Diese Strukturen werden durch die geerbten Gene festgelegt (4. Spalte). Wie die möglichen Genotypen für die verschiedenen Blutgruppen aussehen, steht in der 5. Spalte.  Dabei verhalten sich IA und IB dominant gegenüber i, untereinander jedoch intermediär. IA und IB sind also kodominant. (Für die Vererbung der Blutgruppen steht eine eigene Lernseite zur Verfügung.)
Blutgruppe/ Phänotyp 
Antigen  Antikörper  Gen  Genotyp 
A antiB IA IA IA und IA
B antiA IB IB IB und IB
AB  A + B  keine  IA und IB IAIB
keine  antiA + antiB i i 
(Es gibt auch noch weitere Untergruppen der Blutgruppen, auf die wir hier nicht eingehen wollen.)

Die Antikörper sind in der Regel den Blutgruppen so zugeordnet wie in Spalte 3 der Tabelle dargestellt. Es kommen jedoch auch Abweichungen vor. Das liegt daran, dass die AB0-Blutgruppen-Antikörper wie alle anderen Antikörper gebildet werden: Das Immunsystem bildet gegen alle körperfremden Stoffe, also Stoffe mit denen es über das Blut in Kontakt kommt und die ihm "unbekannt" sind, Antikörper. Diese Moleküle, die die Antikörperbildung auslösen, nennt man Antigene. Stoffe (Molekülstrukturen), mit denen der Organismus vor oder bis kurz nach der Geburt in Kontakt gekommen ist, betrachtet das Immunsystem als körpereigen und "bekannt" und gegen diese produziert es keine Antikörper.
Da die Blutgruppenantigene nicht nur auf den Blutkörperchen vorkommen, sondern in der Natur weit verbreitet sind (sie kommen z.B. auch auf unseren E. Coli- Darmbakterien vor), kommt unser Immunsystem automatisch auch mit den Antigenen in Kontakt, die wir selbst nicht auf der Oberfläche unserer Blutkörperchen besitzen. Gegen diese "körperfremden Antigene" werden dann Antikörper gebildet, gegen die körpereigenen Antigene selbstverständlich nicht. Die Antikörper befinden sich im Serum (= Blutflüssigkeit ohne Blutkörperchen). Die Blutgruppenantikörper sind vom Typ IgM. Daneben gibt weitere Antikörpertypen.

Blutgruppenantikörper 
 
Die tödlichen Blutübertragungen in früheren Zeiten waren darauf zurückzuführen, dass bei Blutübertragungen  Blutgruppen  mit einem bestimmten Blutgruppen-Antigen mit einer Blutgruppe zusammentrafen, die gegen dieses Antigen die entsprechenden  Blutgruppen-Antikörper besaßen, sich die Blutkörperchen mit den Antigenen und den entsprechenden Antikörpern verklumpten und damit die Blutgefäße verstopften. Als Beispiel wählen wir die Blutgruppe A mit  Antigenen A. Kommt diese mit einer Blutgruppe zusammen, die Blutgruppen-Antikörper antiA enthält, so findet die Verklumpung statt.

Dass die Kombination von Antigenen und Antikörpern nicht immer, wie in der Tabelle oben angegeben, auftreten muss und dass das Immunsystem dabei eine ganz wichtige Rolle spielt, zeigt das folgende Beispiel:

Bei einer Routineuntersuchung stellte man bei einem Jungen mit der Blutgruppe A fest, dass er keine Blutgruppen-Antikörper B besaß, was normalerweise der Fall ist. (Der Junge besaß Antigene A, aber keine Antikörper B). 
Nachforschungen ergaben, dass dieser Junge eine Zwillingsschwester mit der Blutgruppe B hatte, und dass man bei der Geburt der beiden Kinder feststellte, dass die Blutkreisläufe der beiden nicht vollständig getrennt waren. An Kontaktstellen, sogenannten Placentaanastomosen, mischte sich das Blut der beiden Feten im Mutterleib.
Auftrag: Versuche dieses Phänomen, Blutgruppe A mit Antigenen-A aber keinen Antikörpern antiB zu erklären.  


Welche Blutübertragungen sind möglich?
Experiment Gedankenexperiment: Wir  wollen  nun testen, zwischen welchen Blutgruppen man Blut übertragen kann.

Zunächst versuchen wir Blut der einzelnen Gruppen mit dem Blut der anderen Gruppen zu mischen:
     Dazu gehen wir zu einer Seite mit einer virtuellen Mischtabelle Blut mit Blut. 
 
Nachdem also klar ist zwischen welchen Blutgruppen man Blut mischen kann, wollen wir untersuchen, ob sich andere Möglichkeiten ergeben, wenn wir Blutkörperchen und Serum durch Zentrifugieren trennen und die getrennten Fraktionen der verschiedenen Blutgruppen mischen.
    Dazu springen wir zu einer Seite mit einer virtuellen Mischtabelle zwischen Körperchen und Serum der verschiedenen Blutgruppen.


Neue Schwierigkeiten bei Transplantationen trotz der Beherrschung der Probleme bei Blutübertragungen

Nachdem seit Landsteiner die Blutgruppen verstanden waren und die Blutübertragungen in der Folgezeit in der Regel ohne Komplikationen abliefen, versuchten sich die Mediziner in Notfällen an Transplantationen von Geweben oder Organen und achteten dabei auf die Übereinstimmung der Blutgruppen. Entgegen den Erwartungen gab es erneut große Schwierigkeiten, da die übertragenen Gewebe oder Organe fast immer abgestoßen wurden. Ausnahmen waren nur die erfolgreichen Eigengewebe-Übertragungen.  Als Ursache der negativen Ergebnisse fand man, dass es in den Zellmembranen  neben den AB0-Antigenen, die schon von den Erythrocyten bekannt waren,  bei weißen Blutkörperchen, Blutplättchen und allen Gewebszellen noch weitere sogenannte  HL-A-Antigene (human leukocyt, locus A)  gab. Die von den damals bekannten zwei Genorten mit je 12 bzw. 37 Allelen codierten HL-A-Antigene ermöglichten so viele verschiedene Variationen, dass es nahezu unmöglich erschien, Gewebsspender mit  passender HL-A-Übereinstimmung zu finden.
Die weiteren Forschungen ergaben, dass diese HL-A-Antigene diejenigen Proteine in den Zellmembranen sind, mit denen die Zellen körperfremde Antigene, die z.B. durch den Befall von Krankheitserregern in den Körper gelangt sind, den Abwehrzellen des Immunsystems präsentieren können. Inzwischen bezeichnet man diese für die Antigenpräsentation verantwortlichen Moleküle als  MHC-Proteine nach der "Genfamilie" MHC (major histocompatibility complex), die diese Proteinmoleküle codiert.


Mit Hilfe von einem Lückentext  Lückentext oder einem Quiz kannst du überprüfen, was du gelernt hast. 

[zurück zur Themenseite Immunbiologie]


[Haftungsausschluss]  [Datenschutz]
Weitere
Selbstlernmaterialien (Häuschen-anklicken)
zur Startseite ZUM Eduvinet
Humboldtschule
Rotteck-Gymnasium
Last modified: