Auswirkungen des Immunsystems auf Blutübertragungen
Bei
schwerwiegenden Verletzungen mit
sehr großem Blutverlust sahen sich in der Vergangenheit
Ärzte immer wieder gedrängt, als letzte mögliche
Behandlung
zur Rettung des Lebens eines Patienten, eine Blutübertragung
vorzunehmen, obwohl damals die Ergebnisse unkalkulierbar waren.
Meist
überstand der Patient den großen Blutverlust oder die darauf
erfolgte Blutübertragung nicht, in seltenen Fällen war
die Behandlung jedoch erfolgreich. Erst nachdem der Wiener Arzt Karl Landsteiner
(1869 - 1943) als Ursache für die
missglückten Blutübertragungen die Unvereinbarkeit
aufgrund unterschiedlicher Blutgruppen herausfand und damit Vorhersagen
über erfolgreiche und tödliche Blutübertragungen
möglich wurden, konnten Blutübertragungen als
Behandlungsmethode beherrscht werden.
Diese
unterschiedlichen Blutgruppen und der Erfolg bzw. Misserfolg einer
Blutübertragung stehen ursächlich mit der Wirkungsweise des
Immunsystems im Zusammenhang.
Wir
betrachten hier (nur) die Blutgruppen nach dem AB0-System. Danach gibt
es (siehe 1. Spalte der Tabelle unten) die Blutgruppen A, B, AB
und 0.
Jede der vier Blutgruppen wird grundsätzlich von den antigenen
Strukturen (2. Spalte), die sich auf der Oberfläche der roten und weißen
Blutkörperchen befinden, bestimmt. Diese Strukturen werden durch die geerbten
Gene festgelegt (4. Spalte). Wie die möglichen Genotypen für die verschiedenen Blutgruppen aussehen, steht in der
5. Spalte. Dabei verhalten sich
I
A und I
B dominant gegenüber i, untereinander
jedoch intermediär. I
A und I
B sind also kodominant. (Für die Vererbung der Blutgruppen steht eine eigene L
ernseite zur Verfügung.)
Blutgruppe/ Phänotyp
|
Antigen |
Antikörper |
Gen |
Genotyp |
A |
A |
antiB |
IA |
IA IA und IA i |
B |
B |
antiA |
IB |
IB IB und IB i |
AB |
A + B |
keine |
IA und IB |
IAIB |
0 |
keine |
antiA + antiB |
i |
i i |
(Es gibt auch noch weitere Untergruppen der Blutgruppen, auf die wir hier nicht eingehen wollen.)
Die Antikörper sind in der
Regel den Blutgruppen so zugeordnet wie in Spalte 3 der Tabelle dargestellt. Es kommen jedoch auch
Abweichungen vor. Das liegt daran, dass die AB0-Blutgruppen-Antikörper
wie alle anderen Antikörper
gebildet werden: Das Immunsystem bildet gegen alle körperfremden
Stoffe, also Stoffe mit denen es über das
Blut
in Kontakt kommt und die ihm "unbekannt" sind, Antikörper. Diese
Moleküle, die die Antikörperbildung auslösen, nennt man
Antigene. Stoffe
(Molekülstrukturen), mit denen der Organismus vor oder bis kurz
nach der Geburt in Kontakt gekommen ist, betrachtet das Immunsystem als
körpereigen und "bekannt" und gegen diese produziert es keine
Antikörper.
Da
die Blutgruppenantigene
nicht nur auf den Blutkörperchen vorkommen, sondern in der Natur
weit
verbreitet sind (sie kommen z.B. auch auf unseren E. Coli-
Darmbakterien
vor), kommt unser Immunsystem automatisch auch mit den Antigenen in
Kontakt,
die wir selbst nicht auf der Oberfläche unserer
Blutkörperchen
besitzen. Gegen diese "körperfremden Antigene" werden dann
Antikörper gebildet, gegen die körpereigenen
Antigene selbstverständlich nicht. Die Antikörper befinden
sich
im Serum (= Blutflüssigkeit ohne Blutkörperchen). Die
Blutgruppenantikörper sind vom Typ IgM. Daneben gibt
weitere Antikörpertypen. |
Blutgruppenantikörper
|
Die
tödlichen Blutübertragungen in früheren Zeiten waren
darauf zurückzuführen, dass bei Blutübertragungen
Blutgruppen mit einem bestimmten Blutgruppen-Antigen mit
einer Blutgruppe zusammentrafen, die gegen dieses Antigen die
entsprechenden
Blutgruppen-Antikörper besaßen, sich die
Blutkörperchen mit den Antigenen und den entsprechenden
Antikörpern verklumpten und damit
die Blutgefäße verstopften. Als Beispiel wählen wir die
Blutgruppe A mit Antigenen A. Kommt diese mit einer Blutgruppe
zusammen, die Blutgruppen-Antikörper antiA enthält, so
findet die Verklumpung statt.
Dass
die Kombination von Antigenen und Antikörpern nicht immer, wie in
der Tabelle oben angegeben, auftreten muss und dass das Immunsystem dabei
eine ganz wichtige Rolle spielt, zeigt das folgende Beispiel:
Bei einer Routineuntersuchung stellte man bei
einem Jungen mit der Blutgruppe A fest, dass er keine Blutgruppen-Antikörper
B besaß, was normalerweise der Fall ist. (Der Junge besaß Antigene
A, aber keine Antikörper B).
Nachforschungen ergaben, dass dieser Junge eine Zwillingsschwester
mit der Blutgruppe B hatte, und dass man bei der Geburt der beiden Kinder
feststellte, dass die Blutkreisläufe der beiden nicht vollständig
getrennt waren. An Kontaktstellen, sogenannten Placentaanastomosen, mischte
sich das Blut der beiden Feten im Mutterleib.
Auftrag: Versuche dieses Phänomen, Blutgruppe A mit Antigenen-A aber keinen Antikörpern antiB zu erklären.
|
Welche Blutübertragungen sind möglich?
Gedankenexperiment: Wir wollen nun testen, zwischen welchen Blutgruppen man Blut übertragen kann.
Zunächst versuchen wir Blut der einzelnen Gruppen mit dem Blut der anderen Gruppen zu mischen:
Dazu gehen wir zu einer
Seite mit einer virtuellen Mischtabelle Blut mit Blut.
Nachdem
also klar ist zwischen welchen Blutgruppen man Blut mischen kann,
wollen wir untersuchen, ob sich andere Möglichkeiten ergeben, wenn
wir Blutkörperchen und Serum durch Zentrifugieren trennen und die
getrennten Fraktionen der verschiedenen Blutgruppen mischen.
Dazu
springen wir zu einer Seite mit einer virtuellen Mischtabelle zwischen Körperchen und Serum der verschiedenen Blutgruppen.
Neue Schwierigkeiten bei Transplantationen trotz der Beherrschung der Probleme bei Blutübertragungen
Nachdem
seit Landsteiner die Blutgruppen verstanden waren und die
Blutübertragungen in der
Folgezeit in der Regel ohne Komplikationen abliefen, versuchten sich
die Mediziner in Notfällen an Transplantationen von Geweben oder
Organen und achteten dabei auf die Übereinstimmung der
Blutgruppen. Entgegen den Erwartungen gab es erneut große
Schwierigkeiten, da die übertragenen Gewebe oder Organe fast immer
abgestoßen wurden. Ausnahmen waren nur die erfolgreichen
Eigengewebe-Übertragungen. Als Ursache der negativen
Ergebnisse fand man, dass es in den Zellmembranen neben den AB0-Antigenen, die schon von
den Erythrocyten bekannt waren, bei weißen Blutkörperchen, Blutplättchen und allen Gewebszellen noch
weitere sogenannte HL-A-Antigene (human leukocyt, locus
A) gab. Die von den damals bekannten zwei Genorten mit je 12 bzw.
37 Allelen codierten HL-A-Antigene ermöglichten so viele
verschiedene Variationen, dass es nahezu unmöglich erschien,
Gewebsspender mit passender HL-A-Übereinstimmung zu finden.
Die
weiteren Forschungen ergaben, dass diese HL-A-Antigene diejenigen
Proteine in den Zellmembranen sind, mit denen die Zellen
körperfremde Antigene, die z.B. durch den Befall von
Krankheitserregern in den Körper gelangt sind, den Abwehrzellen
des Immunsystems präsentieren können. Inzwischen bezeichnet
man diese für die Antigenpräsentation verantwortlichen
Moleküle als MHC-Proteine nach der "Genfamilie" MHC (major histocompatibility complex), die diese Proteinmoleküle codiert.
Mit Hilfe von einem Lückentext Lückentext oder einem Quiz kannst du überprüfen, was du gelernt hast.